Warum essen wir
Die Zufuhr von Nährstoffen und Energie ist lebensnotwendig. Um diese zu gewährleisten, signalisiert uns der Organismus über das Hungergefühl, dass Bedarf besteht. Doch verspüren wir in Zeiten des Überangebots an Nahrung, das jederzeit verfügbar ist, tatsächlich noch Hunger? Oder wird die Nahrungsaufnahme heutzutage nicht von ganz anderen Faktoren beeinflusst? Um Übergewicht vorzubeugen und/oder abzubauen, ist nicht allein die Art und Menge der Nahrungsmittel ausschlaggebend, sondern die Frage warum wir essen. Da alle angebotenen Diäten oder Ernährungsprogrammen zur Gewichtsreduktion diese Frage ignorieren, sind ihre Erfolge meist nur von kurzer Dauer.
Essen aus Verleitung
Wer kennt nicht das Verlangen, sich sofort ein Brötchen oder ein Stück Kuchen kaufen zu wollen, wenn einem schon beim Betreten eines Einkaufsmarktes der Duft frischen Gebäcks empfängt. Die Wahrnehmung von Gerüchen als Instinkt zur Nahrungsfindung war für unsere Vorfahren, die als Jäger und Sammler oft stunden- und tagelang auf der Suche nach Nahrung ihre Umgebung durchstreiften, überlebenswichtig. Der Instinkt ist geblieben, die aufwendige Nahrungssuche ist entfallen. Dadurch wird der Instinkt zur Falle, denn er verleitet zum Essen, obwohl keine Notwendigkeit besteht. Der Verführung pfiffiger Werbestrategen kann man leichter widerstehen, wenn man sich vor dem Einkauf schriftlich auflistet, was man kaufen will und dann quasi mit Scheuklappen wirklich nur die Einkaufsliste abarbeitet. Hilfreich ist dabei auch, wenn man kurz nach einer Mahlzeit einkaufen geht. Studien belegen, dass man mit leerem Magen sowohl in Menge und Auswahl der Produkte anders einkauft als mit vollem Magen.
Etliche Nahrungsmittel werden als besonders gesund oder gesundheitsfördernd angepriesen. Ein probiotischer Joghurt zum Bespiel soll der Verdauung förderlich sein. Dennoch hat ein probiotischer Joghurt den gleichen Nähr- und Energiewert wie ein normaler Joghurt und sollte deshalb, nicht wie suggeriert, einfach mal so nebenbei verzehrt werden.
Essen aus Langeweile
Der menschliche Organismus braucht körperliche Aktivität und kurze Ruhephasen zur Regeneration. Längere Phasen der körperlichen Untätigkeit lösen Langenweile aus. Solange man bei Beruf und Hausarbeit körperlich oder geistig beschäftigt ist, wird man kaum ein Verlangen spüren, nach Chips oder Pralinen zu greifen. Die Lust auf Naschwerk kommt meist erst beim Stillsitzen vor dem Fernsehen auf. Kinder, die spielen, fragen kaum oder gar nicht nach Essbarem, während in Zeiten, da sie unbeschäftigt stillsitzen müssen, wie etwa bei längeren Autofahrten, sie schon nach wenigen Kilometern angeblich Hunger haben, auch wenn sie kurz vorher gegessen haben. Interessant ist auch, dass zum Beispiel bei einem Krankenhausaufenthalt die Mahlzeiten zu einem ganz wichtigen Bestandteil im Tageablauf werden, denn sie bedeutet eine Unterbrechung der Langeweile. Dem Essen aus Langeweile kann man durch Beschäftigung entgegenwirken, etwa indem man die unbeliebten Werbeunterbrechungen nutzt, aufzustehen und sich zu bewegen, sei es um ein paar Schritte auf Balkon oder Terrasse zu gehen oder ein paar Kniebeugen zu machen. Auch kleine gymnastische Übungen, wie zum Beispiel Daumendrehen oder das mehrmalige Anspannen von Waden- und Gesäßmuskulatur helfen das Gefühl der Langenweile während des Fernsehens zu verringern.
Essen aus sozialem Zwang
Wenn man zu einer Feier eingeladen ist, tischen die Gastgeber meist mehr auf, als überhaupt gegessen werden kann und animieren ihre Gäste ständig, doch nochmals zuzugreifen oder dieses oder jenes Schmankerl noch zu probieren. Man isst also, um den Gastgeber nicht zu brüskieren. Diesem Dilemma kann man mit einem einfachen Trick begegnen: Wenn man sich rege an dem Tischgespräch beteiligt und dabei mehrmals das Besteck aus der Hand legt, also eine kurze Pause beim Essen einlegt, gewinnt man Zeit. Da ein Nachschlag immer erst dann angeboten wird, wenn der Teller leer ist, wird es so kaum auffallen, dass man in der Zeit, in der der Tischnachbar bereits zwei Stück Torte oder die zweite Scheibe Fleisch verzehrt hat, selbst noch mit dem ersten Stück beziehungsweise der ersten Scheibe beschäftigt ist.
Essen aus Gewohnheit
Alle Regeln der gesunden Ernährung besagen, dass man regelmäßig essen soll. Deshalb wird man von frühester Kindheit an geschult, zu einer bestimmten Zeit zu frühstücken, die Mittagsmahlzeit und das Abendbrot einzunehmen. Grundsätzlich ist dies sinnvoll, da so die Leitungsfähigkeit des Organismus über den Tag aufrecht erhalten wird. Andererseits erfolgt auch eine Programmierung, dass eben immer zu diesen Zeiten gegessen wird, egal ob und was in den Zeiten zwischen den Mahlzeiten zusätzlich verzehrt wurde. Ein Beispiel: Der an einen warmen Sommernachmittag außer der Reihe genossene Eisbecher deckt in der Regel den Nahrungsbedarf des Abendbrots bereits ab. Dennoch meint man zur üblichen Abendessenszeit hungrig zu sein, einfach, weil man an das Essen zu dieser Zeit gewöhnt ist. Wichtig ist, in seinen Körper hinein zu hören, seine Signale wahrzunehmen. In dem Wissen seinen Energiebedarf durch den Eisbecher bereits gedeckt zu haben, kann man seine lieb gewordene Gewohnheit durch körperliche Beschäftigung oder geistige Ablenkung übergehen.
Essen aus Frust
„Wenn ich mich schlecht fühle, dann etwas esse und es geht mir anschließend besser“. Diese Erkenntnis gewinnt bereits ein Säugling. Denn neben dem Füttern wird er auch gewickelt, erhält Streicheleinheiten und spürt Geborgenheit durch körperliche Nähe und Wärme. Diese Prägung setzt sich im Kindesalter durch essbare Trostpflaster fort und endet im Erwachsenenalter im sogenannten Frustessen. Bei Erwachsenen ist das Wohlbefinden nach dem Essen jedoch nur von sehr geringer Dauer, da ihnen schnell bewusst wird, dass dieses Essen aus Frust falsch war. Damit entsteht eine neue Frustration und ein Teufelskreis beginnt. Statt zum Kühlschrank zu gehen, kann man sich zur Frustbewältigung eine körperliche Betätigung im Haushalt, wie etwa Staub saugen oder Fenster putzen, suchen, einen ausgedehnten Spaziergang machen oder eine Runde laufen gehen. Man kann sich den Frust auch von der Seele reden. Dazu braucht man nicht unbedingt einen menschlichen Zuhörer. Diese Rolle können zum Beispiel auch ein Plüschtier, eine Puppe oder ein Tagebuch übernehmen.
Fazit
In Zeiten, da Essen jederzeit vorhanden ist, haben wir verlernt, auf unseren Körper zu hören. Häufig essen wir, ohne dass tatsächlich ein Bedarf an Nährstoffen und Energie besteht. Dies hat zur Folge, dass der Organismus das Überangebot als Reserve für schlechte Zeiten in unerwünschten Fettröllchen speichert. Diese dauerhaft abzubauen, heißt daher, nicht in erster Linie Menge und Zusammenstellung des Essens zu ändern wie Grundlage aller Reduktionskosten, sondern nur dann zu essen, wenn man tatsächlich Hunger verspürt und nur so viel zu essen, bis das Hungergefühl verschwunden ist.
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Guter Beitrag. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass man sich mal vor Augen führt, warum man eigentlich isst. Das ist der erste Schritt um in Zukunft bewusster zu essen. Dann kann man sich vor jeder (Zwischen)-Mahlzeit fragen, ob sie gerade notwendig ist. Letztendlich ist das Hunger- oder Appetitgefühl natürlich eine Angelegenheit, die von sehr vielen Hormonen gesteuert werden. Und da nicht nur von den üblichen verdächtigen wie Insulin oder Glucagon, sondern auch Adrenalin, Ephedrin und vielen weiteren. Diesen Mix kann man mit reinem Verstand nicht wegdenken. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis man schwach wird, selbst wenn man sich über die Erwähnten Punkte hier im Beitrag bewusst ist. Die beste Möglichkeit, die Hormone zu beeinflussen ist Sport und bewusste Ernährung. Daher ist es nicht nur wichtig, dass man nicht isst, wenn es nur Gewohnheit wäre, sondern auch, dass man das Richtige isst, wenn es denn wirklich ein sinnvolles Hungergefühl gibt.
Die Ernährung ist mindestens genauso wichtig, wie das Training selbst. Leider kostet ein Liter Cola heutzutage weniger als ein Liter Wasser. Darum gibt es so viele übergewichtige Leute…
Bewusste Ernährung ist unserer Gesellschaft immer mehr abhanden gekommen. Die Sucht an Zucker und anderen schädlichen Stoffen ist immens geworden und die meisten Leute essen einfach ohne nachzudenken. Dieser Artikel bringt es auf den Punkt!
Für mich stellt der soziale Zwang ein großes Problem dar. Wenn man nicht gerade mit Leuten rumhängt, die den Fitnesslifestyle leben, dann findet man sich schnell in einem FastFood-Laden wieder. Dort fällt es einem dann schwer zu wiederstehen.
Ich finde, dass ihr das sehr gut auf den Punkt gebracht habt.
Durch den Kapitalismus finde ich mich auch irgendwie bedrängt und Außenstehend, wenn man dann eher zum gesunden und billigen greift, als zum teuren Marken-Produkt, welches natürlich dicker macht.
Grüße Ben