Nach dem Lauf nicht Stehenbleiben denn nach dem Lauf ist vor dem Lauf
Wahrscheinlich hat jeder Läufer die folgende Situation schon einmal erlebt: Sie müssen nur noch wenige hundert Meter bis zum Ziel laufen und möchten aus diesem Grund noch einmal so richtig Gas geben, die Geschwindigkeit ein bisschen erhöhen und schon haben Sie ihr selbstgestecktes Ziel erreicht.
Eigentlich ist es ganz egal, ob Sie den Vordermann auf den letzten paar Metern überholen möchten oder eine neue persönliche Bestleistung erzielen möchten: Gründe für einen Endspurt gibt es viele.
Was jedoch kaum ein Sportler weiß ist es, dass es ebenso viele Gründe gibt, warum Sie nach dem Zieleinlauf nicht einfach stehenbleiben sollten. Viele Sportler denken sich, dass sie die Distanz bewältigt haben und sie jetzt Zeit hätten einmal so richtig durch zu schnaufen oder in Ruhe etwas zu trinken oder zu essen. Obwohl diese Gründe sowohl nachvollziehbar als auch verständlich sind, sollten Sie eines jedoch nicht vergessen: Bleiben Sie nicht einfach stehen! Laufen Sie lieber langsam weiter oder gehen Sie zumindest langsam weiter.
Sicher werden Sie sich jetzt fragen, was das soll und warum Sie ihrem inneren Schweinehund nicht nachgeben sollen.
Das unvermittelte Stehenbleiben nach einer vollbrachten Leistung kann für ihren Körper schwerwiegende Probleme bedeuten. Ein plötzlicher Belastungsabbruch, wie zum Beispiel nach einem sehr anstrengenden Lauf, kann im ungünstigsten Fall sogar zu einem Kreislaufkollaps führen.
Achtung Kollaps!
Führen Sie sich einmal vor Augen, wie der menschliche Blutkreislauf funktioniert: Das Blut wird in der Lunge mit Sauerstoff angereichert und gelangt so über den Lungenkreislauf zum Herzen. Das Herz wiederum pumpt dann das sauerstoffreiche Blut über die Aorta und über die Arterien bis hin zu den Kapillaren. Kapillare sind winzig kleine Blutgefäße in unseren Muskelzellen. Hier wird der Sauerstoff von den Zellen aufgenommen und das sauerstoffarme Blut fließt dann über die Venen zurück zum Herzen und zur Lunge und der Kreislauf kann von vorne beginnen.
Jedoch ist bei dem so genannten Venösen Rückstrom ein bisschen Unterstützung notwendig. Im Gegensatz zur Pumpwirkung des Herzens, bei der das Herz Blut durch die Arterien in den gesamten Körper pumpt, gibt es für den venösen Rückstrom keine Pumpe. Damit das Blut trotzdem zum Herzen zurückfließen kann, verfügt der menschliche Körper über mehrere geniale Erfindungen der Natur. Zu einem wäre da die Unterdruckwirkung des pumpenden Herzens, das so eine Art Sog erzeugt, welcher dabei hilft, das Blut zum Herzen zurück zu pumpen. Eine weitere Einrichtung der Natur sind kleine „Rückstauventile“ in den Venen. Diese sorgen dafür, dass das Blut in ihrem Körper nur in eine Richtung fließen kann.
Ebenfalls ein sehr wichtiger Mechanismus ist die Muskelpumpe. Obwohl die Bezeichnung Muskelpumpe sehr irreführend ist, da es wie bereits erwähnt keine Pumpe für den venösen Rückstrom gibt. Eine bessere Bezeichnung wäre „das Muskelpumpen„. Wenn ihre Muskeln bei sportlicher Aktivität kontrahieren, üben sie einen Druck auf die durch sie verlaufenden Blutgefäße aus. Je intensiver die Kontraktion ist, desto größer ist auch der ausgeübte Druck. Genau dies ist auch der Grund dafür, warum intensive Muskelkontraktionen ganz ohne Sauerstoff ablaufen. Während der Kontraktion wird den Blutgefäßen durch die Muskelzellen für einen gewissen Zeitraum die Luft abgeschnürt. Das mag sich für Sie jetzt vielleicht bedenklich anhören, es ist aber völlig ungefährlich. Der venöse Rückstrom ist für die Gefäße allerdings sehr nützlich. Er hilft das Blut wieder zum Herzen zurück zu drücken.
Haben Sie nun einen sehr anstrengenden Lauf hinter sich und bleiben abrupt stehen, wird bei Ihnen folgende Situation auftreten: Ihre Atmung und ihre Herzfrequenz sind immer noch erhöht. Auf Grund der fehlenden Aktivität fällt jetzt innerhalb von ein paar Sekunden allerdings die „Muskelpumpe“ weg. Ihre Beinmuskulatur, die gerade eben noch Druck auf die Blutgefäße ausgeübt hat, ist auf einmal entspannt. Allerdings sind ihre Blutgefäße nach der langen Anstrengung noch sehr weit. Bedingt durch die Schwerkraft kommt es nun dazu, dass ein Teil des Blutes in den unteren Extremitäten versackt. Da es nun sein kann, dass das Gehirn vorübergehend mit Blut unterversorgt wird, kann ihnen schwindelig werden, es kann zu Übelkeit kommen oder Sie fallen im schlimmsten Fall in Ohnmacht.
Was sich jetzt für Sie vielleicht sehr dramatisch anhören wird, ist allerdings nur ein ganz normaler Schutzmechanismus ihres Körpers. Fallen Sie in eine kurze Ohnmacht und liegen dann auf dem Boden, so kann das Ungleichgewicht aus physiologischer Sicht schnell und einfach behoben werden: Ihr Gehirn und ihre unteren Extremitäten befinden sich nun auf einer Ebene, weswegen das Gehirn wieder mit ausreichend Blut versorgt werden kann.
Gegenmaßnahmen und Faustregeln
Obwohl die Ohnmacht eine sinnvolle Maßnahme ihres Körpers gegen die vorübergehende Blutarmut ist, so sollten Sie es dennoch gar nicht erst soweit kommen lassen: Eine Ohnmacht belastet den Körper sehr und es dauert eine ganze Weile, bevor Sie sich wieder vollständig davon erholt haben.
Damit Sie diese unnötigen Belastungen für ihren Kreislauf gar nicht erst entstehen lassen gibt es ein paar sehr einfache und leicht durchzuführende Handlungsweisen, die Sie nicht zwingen, auf ihren Endspurt zu verzichten: Denken Sie immer daran, dass Sie sich nach Erreichens der Ziellinie in jedem Fall weiter bewegen. Traben Sie einfach langsam weiter. Auf diese Weise können Sie die Muskelkontraktionen in ihren Beinen noch aufrechterhalten und Sie können sich so schon ein bisschen von dem anstrengenden Lauf erholen. Sollten Sie zu erschöpft zum Weiterlaufen sein, dann gehen Sie einfach noch ein paar Meter weiter. Schließlich sorgt auch das Gehen in den Beinen für eine Muskelkontraktion, die das Absacken des Blutes und somit das Absacken des gesamten Kreislaufs verhindert.
Denken Sie immer daran: Der Endspurt sollte nie das Ende der Bewegung darstellen. Sowohl beim Wettkampf als auch beim Training sollten Sie nach dem Zieleinlauf immer langsam weiter traben. Planen Sie diese Zeit vorher schon ein. Wie lange diese Phase sein sollte, hängt allerdings von der vorherigen Belastung ab. Zur Orientierung können Sie ihre Pulsfrequenz und ihre Atmung nutzen. Erst wenn ihre Pulsfrequenz und ihre Atmung wieder soweit zurückgegangen sind, dass Sie selber den Eindruck haben, jetzt noch einmal so richtig durchstarten zu können, dürfen Sie mit dem Austraben aufhören.